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Agnes Harb

Nachname:
Harb
Vorname:
Agnes
geboren:
1914-12-31
Zugehörigkeit:
NordtirolerIn
letze Änderung:
Wed Nov 04 13:58:24 UTC 2020
Biographie
Agnes Harb, Jahrgang 1914, wird in Aldrans bei Innsbruck "an einem lustigen Tag“ geboren: zu Silvester. Die Familie schläft auf Strohsäcken, man nimmt zum Schlafen einen warmen Ziegel mit ins Bett oder Kirschkerne. So sind die "guten alten Zeiten". Es gibt kein Bad. Mit der Hygiene ist es nicht weit her. Die Arbeit ist hart, sei es beim Dreschen oder bei der Großwäsche ohne Waschmaschine. Zwei Tage steht man am heißen Zuber. Die Hände werden rissig beim Schwemmen. Auf den Mond wird geachtet, der für die Wahl des Zeitpunktes bestimmter Arbeiten wesentlich ist und auf die Sonne. Sie bleicht die Wäsche, die auf der Wiese zum Trocknen aufgelegt wird. In der Volksschule ist sie ein "kleiner Rebell", im Zeugnis steht zweimal als Betragensnote eine Zwei. Betragen, Religion und Fleiß sind die wichtigsten Noten, die sollten schon alle einen Einser aufweisen - besonders bei einem Mädchen! Agnes, "einfach ein Windspiel", ist so ein lebendiges Wesen. Alles interessiert sie. Als 1925 das Haus abbrennt, das nicht vollwertig versichert ist, muss Agnes auf vieles verzichten. Agnes wäre gern Krankenschwester geworden, aber: "Sparen haben wir müssen, schon fest sparen halt auch." Agnes wächst mit vier Brüdern auf. Der Toni, der ist Priester geworden. Aus einer inneren Überzeugung Priester geworden, aus eigener, innerer Überzeugung! Denn früher hieß es gleich bei mehreren Kindern, einer soll Priester werden. "Da sind viele Priester geworden, die nicht geeignet gewesen sind. Die Kirche hat da große Fehler gemacht!" Agnes kann nur die Volksschule besuchen,dann bleibt sie bis zum Heiraten daheim. Die Mutter leidet unter Epilepsie, die einzige Tochter muss die Wirtschaft führen. Dann hat Agnes "halt daher geheiratet", genau betrachtet, nicht die erträumte Hochzeit. Das Schicksal hat nicht mitgespielt. Agnes hatte bereits einen Verehrer. Sie denkt noch oft an ihn, vermag es kaum zu fassen, dass er ganz plötzlich an einem Herzschlag gestorben ist. Der Anschluss Österreichs an Deutschland ist bereits vollzogen, jetzt gilt der kirchliche Trauschein nicht mehr vor dem Staat. Die Brautleute müssen nach den Vorfahren der Eltern weit zurückforschen und den Arier-Nachweis erbringen. Mit einem Büchlein, die Papiere zusammengefasst und als rein arisch bestätigt und gestempelt, fühlt man sich danach auch nicht anders oder besser. Die Radiosendestation in Aldrans, zwei 150 Meter hohe Sendemasten, wird jetzt für den Reichsrundfunk vom deutschen Postschutz Tag und Nacht bewacht. Die Postangestellten, meist aus Bayern, jeweils vier Mann, werden etwa alle drei Wochen ausgetauscht. Weil Agnes gern kocht und zwei Zimmer frei sind, einigt man sich bald für Kost und Logis. Schließlich muss jeder sparen. Kriegszeiten. Zwei von Agnes vier Brüdern fallen im Krieg. Fliegeralarme, besonders schrecklich immer am 20. April, auch im letzten Kriegsjahr an Hitlers Geburtstag. Agnes versteht sich gut mit der Schwiegermutter, auf ihr Drängen packt sie die beiden kleinen Kinder in ein Wägelchen und läuft zum Luftschutzkeller der Gemeinde. Unterwegs erlebt sie den Angriff eines Tieffliegers. Nach dem Zusammenbruch der italienischen Front flüchten scharenweise Soldaten zu Fuß. Deutsche, viele Bayern suchen den nächsten Weg zurück in ihre Heimat. Eine Schleichroute verläuft über den Achensee. Jeder muss schauen, wie er heimkommt. Und alle haben Hunger, die Heimkehrer genauso wie diejenigen, die daheim blieben. Agnes macht Brennsuppe, gibt Brot dazu und ein wenig Milch. Wie wird das gehen, fragen die Frauen einen Salzburger, und was wird denn da noch kommen. Er meint, sie brauchten keine Angst zu haben, weil von der italienischen Front die Amerikaner kämen. Und die sind, so gesehen, die Besten gewesen. Sie hatten Essen und halt eine gewisse Kultur, anders als die Russen. Aber Agnes und die Schwiegermutter sind unruhig. Im Radio und auch in der Gemeinde wird der Erlass durchgeben, kein Mensch dürfe auf der Straße sein. Der endgültige Rückzug, nachts marschiert Militär durch. Ab und zu hört man einen Schuss. Agnes und die Schwiegermutter sitzen im Haus und beten, dass alles gut vorübergeht. "Herrgott, hilf, hilf, steh uns beiseite!" Und dann, um elf Uhr nachts hören sie etwas hinter dem Haus. Da kriecht draußen hinter dem Haus ein junger Bursche auf der Erde, das ganze Gesicht voller Blut, das letzte Aufgebot gewissermaßen, als 15-, 16-Jährige zum Arbeitsdienst einberufen. "Dass die noch das ’Vaterland retten können." Agnes hat etwas Verbandszeug, das ihr der Mann während eines Fronturlaubs von der Wehrmacht heimbrachte. So gut es geht, verbindet sie den schwerverletzten Burschen. Rettungswagen gibt es keinen, auf einem Rossfuhrwerk wird der Bursch ins Krankenhaus transportiert, zusammen mit zwei Kollegen. Alle drei waren in Saalfelden, Salzburg, in einem Arbeitslager. Als sie vom Zusammenbruch hörten, wollten sie nichts als heim. Ohne auf Verbote zu achten, fuhren sie mit einem Lastwagen los und wurden in Tirol von den Amerikanern beschossen. Einer stirbt später, Agnes’ Pflegling überlebt. Agnes Harb hätte noch viel zu erzählen. Von der Reise nach Amerika, ein. Eine Tochter lebt in Amerika. Agnes Harb ist 62 Jahre alt. Drei Tage dauert die Anreise: mit dem Schnellzug nach München, vom einstigen Flughafen München-Riem nach London, weiter in die USA geht es erst nachmittags am nächsten Tag. Die Maschine ist voll - und Agnes die einzige Österreicherin. Sie beherrscht kein Englisch, für die notwendigsten Fragen hat sie ein Büchlein gekauft. Die Zwischenlandung bereitet ihr Probleme. Wie soll sie das schaffen, das Umsteigen in die Inlandsmaschine? Agnes geht durchs Flugzeug und fragt: "Bitte, spricht jemand Germany?" Ein Mann hebt die Hand, er ist der schwedische Gesandte von Los Angeles. Agnes erzählt ihm ihr Leid. Wohlbehalten landet sie im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" bei ihrer Tochter. Agnes wundert sich über den Forschritt. In Los Angeles beobachtet sie vom Aussichtsturm des internationalen Flughafens die Landung einer großen Maschine aus Japan. "400 Leute, ein ganzes Dorf!" Sie macht sich Gedanken über das Schwarze, Stinkende, das hinten ein Flugzeug ausstößt. Das gibt doch eine schlechte Luft ab! Agnes sieht alles, staunt über die Raucherabteile und Behindertentoiletten. „Im 76er Jahr!" In Salt Lake City an der Hauptstraße gerät sie ein Biorestaurant, daneben das Geschäft: Biogemüse, alles "Bio". Die Tochter sagt, die Mutter soll sich in dem Laden umschauen, damit sie es auch glaubt. Sie besucht den Tempel der Mormonen, "die haben da für das hübsch etwas übrig gehabt." Anju